Der Optimist. Eine lebensgroße Statue von Thomas Reimann vor der Messe Dresden.

Der Optimist, ein Werk in der Schwebe möchte man meinen, eine vermeintlich instabile Konstruktion, die nicht nur den Statiker verwundern dürfte, sondern auch die Mitmenschen zum Mitfühlen aufruft, wenn man beim bloßen Hinschauen meint, oh je, das geht nicht gut ...

Sehen wir in dieser Skulptur einen Schnappschuss eines einzigen Augenblickes, dessen weiteren Verlauf wir uns nicht vorstellen möchten? Oder sehen wir den Anfang einer schier unmöglichen Tat? Spielt hier einer mit unserem Mitgefühl? Dieser Optimist macht den Betrachter augenblicklich zum Skeptiker, zum hoffnungslos Hoffenden, oder werden wir zu schadenfrohen Zynikern, die eine Weile zuschauen, um das Unvermeidliche zu erleben, um die eigene Langeweile für eine Zeit zu vertreiben im Endstadium der eigenen Bedeutungslosigkeit!

Wann greift man ein, wann ruft man Halt?

Wer wohl springt dem Optimisten bei, stützt die drohende Last und hilft ihm freiwillig? Wie groß müssen Gefahren sein oder wie groß muss die Liebe sein, einen offenbar Verdammten zu erlösen? Wer würde denn der Erste sein wollen dessen Eingreifen auch nicht helfen könnte, diese Last zu stemmen. Vielleicht 8–10 starke Männer und Frauen könnten diese Last aufhalten. Aber einer müsste den Anfang machen. Dieser eine ist in jedem von uns verborgen. Beim Gelingen, ganz gewiss, würden sich viele beteiligt haben wollen. Denn nur wenn der Erfolg in Aussicht steht, dann werden sich die Helden melden. Die Distanz ist der Lebensraum der Opportunisten, das sichere Habitat. Und so laufen auch keine Bäche in Ströme und diese Ströme auch nicht ins Meer. Denn zunächst laufen nur die Kameras der Handys und die Selfies vor dem Scheiternden.

Die Distanz ist der Lebensraum der Opportunisten, das sichere Habitat. Und so laufen auch keine Bäche in Ströme und diese Ströme auch nicht ins Meer. Denn zunächst laufen nur die Kameras der Handys und die Selfies vor dem Scheiternden. Bilder vom Scheitern anderer, sind eine kostbare Ware, erfahren den Siegeszug in den Medien. Mit jedem Klick bricht ein Stück Menschlichkeit ab.

Doch wer ist unser Optimist?

Wo kommt er plötzlich her, als diese schwere Last zu kippen drohte und er sofort, offenbar ohne zu überlegen, zufasste. Ein unbedachter Reflex vielleicht, ein schnelles Handeln, dessen Konsequenz nicht vorherzusehen war, oder mit der „wir schaffen das“ Losung noch im Kopf. Jedoch auch er ist ein Wesen des Mainstreams, das Telefon am Ohr und somit wohl eher beiläufig gerät er nun in die missliche Lage, die Aktentasche schnell noch abgestellt …

Sein feiner Anzug weist ihn als jemanden aus, der im Management, zumindest im gehobenen Angestelltenverhältnis zu arbeiten scheint. Seine hängende Krawatte, die wie ein Pendel zum Mittelpunkt der Erde zeigt, kennt wohl als einzige die Wirkung der Schwerkraft.

Doch es scheint zu gelingen, meine sehr verehrten Damen und Herren, es funktioniert offenbar.


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Die schmale Gestalt vollbringt ein Wunder, wider der Statik, der Logik und des gesunden Menschenverstands, ja wider aller Erfahrungen und trotzend den Gesetzen der Natur.

Nun, dies, als gezielte Nachricht, mit einer öffentlich wirksamen Verbreitung, zuzüglich das Volk beruhigender Thesen, worin nicht allein der Gewinn und der Erfolg des Handelns überzeugen soll, sondern mehr noch, das goldenste Kalb aller Kälber, das Wachstum.

Hier handelt eine Stütze, ein Prinzip des Systems, ein Mitglied aus der Mannschaft der Exportweltmeister, der naturgemäß die nach oben steigende Wachstumskurve stützen muss ... So sehen Sieger aus.

Nicht jede Schräge ist also eine Schieflage.

Bleiben wir aber beim Misslingen. Scheitern, sagt man, ist der erste Schritt in die richtige Richtung! Schier aussichtsloses Handeln, ja gerade das bewusste Herbeiführen von Irritationen und der Austausch von Ursache und Wirkung ist ein probates Mittel in unserer gefakten Welt, in der gefälschte Gutachten, Erinnerungslosigkeit und Bildungsmangel zur Eignung für höchste Positionen führen, ja und nicht nur das ... Dies führt zwangsläufig zur Spaltung des Publikums. Streng genommen in zwei Lager. Nach dem Scheitern der Glaubwürdigkeit religiöser Botschaften, Moral und Ethik prägte sich eine neue Spezies, der Homo ldiologikus, dessen Werkzeuge haargenau die gleichen sind, wie sie auch andere Irr-Lehren der Welt anwenden, die Angst vor dem Untergang und die Erlösung vom Elend! Auch die Feinde sind haargenau die gleichen, das ist die Aufklärung und die Vernunft.

In einer Laudatio für ein Kunstwerk und seinen Künstler, dessen visionäre Sicht sich in vielfältiger interpretativer Weise deuten lässt, sollte nicht fehlen, dass es gar keine Absicht gibt, kein Kalkül und keine bevorzugte Deutung. In vielen Fällen wenden sich Betrachter an den Künstler mit der sattsam bekannten Frage: was willst du mir damit sagen? Diese Frage gehört zu den verbotenen Fragen von den es einige mehr gibt, die peinlichste ist wohl die: kann man davon leben? Die allenfalls läuten dürfte, kann man damit leben?

Zugegeben, es besteht zwischen Thomas Reimann und mir eine, gerade mal ein Jahr dauernde, dennoch aber sehr intensive Verbundenheit und Freundschaft. Er ist kein Bohemians und weinseliger Kunstträumer, kein vortraghaltender Szene Insider, der über Moderne oder Klassik referiert. Thomas Reimann ist von optimistischer Weltsicht und menschlicher Güte geprägt, solidarisch, emphatisch. In Weimar geboren, zunächst Abschluss als Metallfacharbeiter, später intensiver Kontakt zu dem Dresdner Maler und Holzschneider Rudolf Nehmer, dessen Schüler er wurde. Es folgte ein Hochschul-Studium an der Burg Giebichenstein in Halle mit dem Diplom Glas, Keramik, Porzellan Designer. Danach ein weiterer Facharbejter Abschluss als Glasmacher in Weißwasser. Später Designer und Chefdesigner in der Glasindustrie Sachsen. Er wurde der Gründer vom Atelier Kunst und Design Dresden.

Im laufe dieser beruflichen und künstlerischen Entwicklung zum Bildhauer und Grafiker, eignete sich Thomas Reimann seine Fähigkeiten an, die ihn schließlich zu seiner individuellen Formensprache und bildhauerischen Reife führten. Worin die klassischen künstlerischen Disziplinen wie Steinbildhauerei und die Arbeiten für Große Bronzeskulpturen eine zentrale Rolle spielen, sowie die Arbeiten aus Glas, Keramik und Porzellan. Meine sehr verehrten Damen und Herren, meiner Eingangsthese von der „Liebe als Antwort als Antwort auf alle Fragen" möchte ich eine weitere These hinzufügen: „was dich nicht berührt, kannst du auch nicht begreifen”. Auch diese, der Empathie angehörende Wahrnehmung, ist die Grundlage um mit dem Herzen sehen zu können.

In der Analogie zwischen Berühren und Greifen, befindet sich auch der Sinn von Bildhauerei und die Zweckmäßigkeit dreidimensionaler Objekte an sich, von denen die Botschaft zu einer haptischen Annäherung ausgeht; zur Berührung! Unsere Hände, unsere Körper und Sinne schufen in der Evolution erst, jene Erfahrung, die uns zu Menschen machte, wie auch das unmittelbare Sein in der Natur, also das Begreifen.

Ein Kunstwerk darf, ja sollte unbedingt sich der Eindeutigkeit entziehen, nicht aber seiner geistigen, handwerklichen und originären Außergewöhnlichkeit. Insofern, wenn ich zur Interpretation oder Rezeption von Reimanns „Optimist" zurückkehren darf, ist die Tatsache, dass der Entwurf für diese Skulptur, bereits im Jahre 2016 entstanden ist, geradezu erschütternd. Natürlich! Jetzt wo nunmehr die Realität diese Arbeit eingeholt hat, wo die Zeitbezogenheit erdrückend ist, stellt sich vielleicht die Frage nach der Moderne. Gute Kunst ist immer modern. Modische Kunst, sog. Weltkunst, die viele machen und voneinander stehlen, hält sich eine Weile und wird dann weggeräumt. Heute krass und morgen Kitsch! So verhält es sich auch, mit den systemischen und ideologischen Machwerken. Wir kennen das! Bronze ist geduldig! Hatten wir vor Zeiten noch den Kaiser in Bronze, nach dessen Abdankung schmolz man sie ein, machte Reichskanzler daraus, nach dessen Untergang, Heldenverehrung für Soldaten, Marx, Engels und Lenin. Zwischendurch auch mal Kanonen. Bronze ist geduldig ... Der Begriff Metamorphose würde in die Irre führen, Opportunismus oder Staatskunst trifft es wohl besser.

Besondere Sternstunden für die Kunst, besonders im öffentlichen Raum gibt es immer dann, wenn es jemanden gibt der das Vertra'uen in den Künstler investiert und ähnlich wie er, an .das Gelingen glaubt und sich seinerseits mit seinen Mitteln für das Werk einsetzt. Öffentlicher Raum ist der Laufsteg der Mutigen. Dessen Gestaltung ein Statement. Insofern darf die Stadt Dresden dem Direktor der Messe, Herrn Ullrich Finger mehr als nur dankbar sein, für seine Initiative in unserem Stadtraum ein Denkmal aufzustellen, worin das Denken, das Handeln in vielen möglichen Facetten gepriesen wird. Ich wünsche diesem Werk die Ewigkeit, den Betrachtern den Genuss, den Zweifler11 die Fragen und der Stadt die Vernunft und uns allen einen schönen Abend: Vielen Dank.


 
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